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Unternehmen, die von privaten Personen betrieben werden (gemeint sind hier nicht GmbH, GmbH & Co. KG oder AG, sondern z.B. Gewerbetreibende, Handwerker und selbstständig Tätige) werden in Deutschland nach Umsetzung der europäischen Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz vom 20.06.2019 (RL) die Möglichkeit erhalten, um nach einem verkürzten Insolvenzverfahren neu durchstarten zu können, in der RL die Zweite Chance genannt. Die europäische Richtlinie ist bis zum 21.07.2021 in den europäischen Staaten umzusetzen, früher ist möglich, eine Verlängerung bis 17.07.2022 ebenfalls. Nach Verlautbarung aus dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) wird die Richtlinie in drei Phasen in nationales Recht übergeleitet.

  • Die Vorschriften zur Verwalterbestellung, über den Beruf des Insolvenzverwalters sowie die Zuständigkeiten der Gerichte werden voraussichtlich am Ende des Jahres 2020 geregelt.

  • Für juristische Personen werden präventive Restrukturierungsrahmen (ein vorgerichtliches Insolvenzverfahren) eingeführt. Diese präventiven Restrukturierungsrahmen (im Wesentlichen Insolvenzpläne ohne gerichtliche Beteiligung) können in den Mitgliedsstaaten auch für die privaten Unternehmen zur Anwendung gebracht werden; eine Entscheidung steht insoweit noch aus, ist aber im Laufe des Jahres geplant.

  • Die Zweite Chance für Gewerbetreibende, Handwerker, selbstständig Tätige und alle anderen Unternehmen, die von privaten Personen betrieben werden, wurde bereits geregelt, zunächst in einem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) aus dem Februar dieses Jahres.

Das neue Recht (Die Zweite Chance) macht die 3-jährige Entschuldungsfrist nicht von einer bestimmten Masse (35% der Schulden und Verfahrenskosten) abhängig. Entschuldung heißt nach neuem Recht 3 Jahre statt 6 bzw. 5 Jahre auch ohne Masse. Im Referentenentwurf ist eine Übergangsregelung bis zum 17. Juni 2022 vorgesehen, damit erst nach diesem Termin die Dauer auf drei Jahre verkürzt wird. Für die Zeit davor soll eine monatliche Staffelung gelten.

Mit einem Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der BT-Drucksache 19/18158 (Bericht des Rechtsausschusses), dort Artikel 3 (S. 12) zu dem Gesetzentwurf der BT-Drucksache 19/18110 (Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht) wurde beantragt, die Staffelung abzuschaffen und den Dreijahreszeitraum für die Entschuldung mit dem Tag nach Verkündung des Gesetzes zu starten. Dieser Antrag wurde jedoch am 25. März 2020 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und AfD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP im Rechtsausschuss abgelehnt.

Nach neuem Recht (sobald es Gültigkeit hat) wie auch nach jetzigem Recht besteht aber weiterhin die Möglichkeit, mittels Schutzschirm und Insolvenzplan binnen eines halben Jahres entschuldet zu werden.

Viel zu selten wird von Gewerbetreibenden, Handwerkern, selbstständig Tätigen oder anderen privaten Unternehmen diese schon immer vorhandene Zweite Chance gewählt.

Rechtsanwalt André Houben, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fasanenstraße 71, 10719 Berlin, berlin@curator.ag.